Wie können Christen die Welt verändern

[Dieser Artikel wurde im CVJM Magazin 03/2014 bereits veröffentlicht]

Es fällt mir sehr schwer, diesen Artikel zu schreiben. Eigentlich habe ich das Gefühl, ich bräuchte noch ein bis zwei Wochen, um mit dem Inhalt schwanger zu gehen. Aber blöderweise ist Montag Radaktionsschluss. Das heißt, der Artikel muss jetzt werden.

Deshalb starte ich den Versuch Sie/euch mit auf eine Reise zu nehmen.<--break->

Die Welt als Maschine
Diese Reise startet mit einem Vortrag von Brain McLaren, den ich vor ein paar Jahren gehört habe. In diesem Vortrag beschreibt er ein einfaches Modell der Welt, an dem man sehr schön erklären kann wie dieses System tickt. Stellen wir uns also die menschliche Zivilisation als eine Maschine vor. Eine Maschine ist ein komplexes Tool, um einen bestimmten Zweck (oder ein Bedürfnis) zu erfüllen. Was wir uns wünschen, ist zunächst mal nichts Negatives. Praktisch alles, was wir in unserem Leben tun, dient dem Zweck, glücklicher zu sein und in Wohlstand zu leben. Aber sobald wir einen gewissen Wohlstand erreicht haben, versucht jemand ihn zu stehlen. Es entsteht ein Bedürfnis nach Sicherheit. Neben dem Teil des Systems, das für Wohlstand sorgt entsteht ein Teilsystem, dass unseren erlangten Wohlstand schützt. Zu diesem Teil des Systems gehören Dinge wie Polizei, Armee, Schlösser in den Türen und Sicherheitssysteme auf dem Computer. Beide Systeme sind sehr kostenintensiv. Wir brauchen also ein System, das sicherstellt, dass die Kosten der beiden Systeme gleichmäßig und gerecht verteilt werden. Das Gleichheits- oder Gerechtigkeitssystem sorgt für gerechte Regeln und Gesetze. Diese drei komplexen Systeme arbeiten zusammen und bilden ein noch komplexeres System. Aber anhand des Modells lassen sich schön die Probleme des Systems betrachten.

Systemkrise I: Leben in einer endlichen Welt
Unsere Gesellschaft existiert im Ökosystem unseres Planeten. Wir bauen Rohstoffe schneller ab als unser Ökosystem diese zur Verfügung stellt und belasten unsere Umwelt mit mehr Emissionen (Müll, Wasser- und Luftverschmutzung) als unser Ökosystem absorbieren kann. Seit dem Beginn der Industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nutzen wir fossile Energieträger (zunächst Kohle, dann Öl) um die Laufgeschwindigkeit des Wohlstandssystems von unserer menschlichen Arbeitskraft zu entkoppeln. Sicher kann man sich darüber streiten, wann die für unser Wirtschaftssystem so wichtigen Ressourcen zu Ende sind. Viele Wissenschaftler und Analysten meinen, dass um das Jahr 2010 zunächst die Fördermaxima (Peaks) der fossilen Brennstoffe erreicht waren. Aber unabhängig von dem genauen Auftreten der Peaks ist eins klar: Die meisten Ressourcen (Öl, Kohle, Gas, Halbleiter, Metalle und seltene Erden, Flächen), auf die unsere Wirtschaft heute baut sind endlich. Sollen unsere Kinder uns eines Tages fragen: Wie konntet ihr nur an ein Wirtschaftssystem mit stetigen Wachstum, auf der Basis von endlichen Ressourcen, glauben? Mit diesem Thema allein könnte man den Rest dieses Heftes und Bücher ohne Ende füllen.

Systemkrise II: Leben auf Kosten anderer
Aber wir wollen uns die zweite Krise anschauen. Einige Menschen werden immer reicher, aber die meisten nicht. 2013 litt etwa jeder achte Mensch auf der Erde unter chronischem Hunger und Unterernährung. Auf der anderen Seite besitzt das reichste Prozent der Weltbevölkerung 40 % des Weltvermögens. Die reichsten 10 % der Weltbevölkerung besitzen sogar 85 % des gesamten Vermögens [1] Mit der gerechten Verteilung des Wohlstandes ist es also nicht weit her.

Systemkrise III: Lieber Verhältnisse zementieren als Probleme lösen
Wenn man sich also vorstellt, dass eine Mehrheit der Weltbevölkerung zuschaut wie eine Minderheit immer reicher wird, kann man gewisse Probleme vorhersagen. Die Menschen fühlen, wie falsch ihr Leiden und wie ungerecht der Luxus der Wohlhabenden ist. Dies führt zu Reaktionen wie Kriminalität, Revolution, Massenemigration und Terrorismus. Auf der einen Seite hat man also immer verzweifeltere Arme und auf der anderen Seite immer ängstlichere Reiche. Anstatt die Probleme anzugehen, fließt immer mehr Geld in Waffen. Man sagt, 1 % der jährlichen Militärausgaben würden ausreichen, um die Ärmsten der Armen mit dem Nötigsten zu versorgen. Aber was passiert, wenn immer mehr Menschen versuchen, auf das Wohlstandsniveau der reichen Industrienationen zu kommen? Dies würde unser Gesamtsystem nur um so schneller in die Krise führen.

Wie verändert man unser System?
Unsere Maschine hat noch ein weiteres Element, sozusagen eine Steuereinheit. Was sagt unserer Maschine wie schnell sie laufen kann? Ich glaube, unsere Gesellschaft wird von Geschichten gesteuert, von Rahmenerzählungen die uns erklären, wie die Welt funktioniert. Alle Arten von Ideologien (Religionen, Kommunismus, Humanismus, freie Marktwirtschaft...) sind solche Rahmenerzählungen. Rahmenerzählungen lösen einander ab. Sie lösen in der Regel die Probleme der bisherigen Erzählung und erzeugen dann wieder neue. Welche Rahmenerzählung liefert die Bibel? Jesus spricht vom Evangelium des Reiches Gottes. Geht es hier um eine Rahmenerzählung? Und inwieweit verkürzen wir die Frohe Botschaft, wenn wir sie auf die persönliche Errettung reduzieren? Geht es nur darum, Seelen für einen zukünftigen Himmel zu retten, weil Jesus die Welt sowieso neu macht, wenn er wiederkommt? Wahrscheinlich macht er das. Wahrscheinlich wird unsere Welt das bitter nötig haben bis da hin. Aber wieso sollte dann nicht das gleiche passieren wie nach der Sintflut und alles wieder von neuen anfangen? Oder kommt dann die große Gehirnwäsche? Nein, ich glaube nicht. Vielleicht ist unsere jetzige Welt ohne göttliche Erneuerung tatsächlich nicht mehr zu retten. Aber ich glaube die Frage ist, wie passiert die Veränderung in uns, ohne die uns Gott seine neue Welt nicht anvertrauen kann.

Mit Gott die Welt verändern
Sind wir als Christen bereit, die Bibel nach einer gesunde Rahmenerzählung zu durchwühlen und gemeinsam mit anderen nach neuen Wegen zu suchen? Identifizieren wir die Fehler und Probleme der derzeit dominanten Erzählung und suchen wir ernsthaft nach Auswegen? Sind wir bereit, uns gegen die Konsum- und Wachstumszwänge unserer Gesellschaft zu stellen? Sind wir bereit, Gott stellvertretend um Gnade für die Plünderung unseres Planten und die herrschende Ungerechtigkeit anzuflehen und für Veränderungsprozesse zu beten und zu engagieren?

„So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ 1.Tim. 2:1-4

Ich glaube, weder persönliches noch politisches Engagement allein kann die benötigte Veränderung bewirken, aber wir haben die Möglichkeit, den zu bestürmen, dem nichts unmöglich ist.

„Man muss beten, als ob alles Arbeiten nicht nützt und arbeiten, als ob alles Beten nichts nützt.“ Martin Luther

Markus Hacker

Referent für politische Jugendbildung

 
[1] Studie des World Institute for Development Economics Research der Universität der UN

  Vortrag von Brian McLaren beim emergentforum 2008 Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Das Buch von Brian McLaren zum Vortrag